Stellungnahme zur Novellierung des SGB VIII

Das Bundeskabinett hat am 12.04.2017 im Zuge der Reform des Achten Buchs des Sozialgesetzbuches (SGB VIII) den Entwurf des BMFSFJ für ein Gesetz zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen beraten und in das parlamentarische Verfahren gegeben. Dieser Entwurf enthält auch weiterhin mehrere Aspekte, die von Seiten der Jugendarbeit bereits kritisch angemerkt wurden.

Als Landesbeirat für Jugendarbeit möchten wir auf einige Aspekte im Zuge der Novellierung noch einmal eingehen:

§ 14 – Medienkompetenz nicht nur im Jugendschutz verankern

§ 14 Abs. 2 soll um den Aspekt der Medienkompetenz ergänzt werden. Geplant ist die Erweiterung des Absatzes um den Satz „Von diesen Maßnahmen ist auch die Vermittlung von Medienkompetenz umfasst.“ In Verbindung mit der entsprechenden Begründung wird der Eindruck vermittelt, dass bei der Vermittlung von Medienkompetenz  von einem doppelten Defizitansatz ausgegangen wird: Reduktion auf die Risiken (ohne Benennung der Chancen) und dabei nochmals Reduktion auf „den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt“.

Wir empfehlen, an dieser Stelle auf die Ergänzung zu verzichten, v.a., da andere Themen-und Arbeitsbereiche des erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes nicht explizit benannt sind und weiter die Medienpädagogik auch in §11 nicht benannt wird.  Wir sehen hier die Gefahr, dass medienpädagogische Angebote der Jugendarbeit zukünftig nicht mehr durchgeführt bzw. als solche gefördert werden könnten.

§ 45/45a – Erlaubnis für den Betrieb einer Einrichtung/Einrichtungsbegriff

Grundsätzlich unterstützen wir die Einführung einer Legaldefinition. Wichtig ist dabei jedoch, dass diese nicht ungewollt  Einrichtungen der Erlaubnispflicht unterwirft, für die dies aktuell nicht der Fall ist. Eine solche Ausweitung der Notwendigkeit der Erlaubnispflicht ist laut Begründung auch nicht intendiert. Daher muss vermieden werden, dass es hier zu Unklarheiten in der Auslegung kommt. Da insbesondere einige Einrichtungen in der Jugendarbeit betroffen sein könnten, würden entsprechende Unklarheiten (auch) zu Lasten von ehrenamtlichen Verantwortungsträger-inne-n gehen.  Konkret ist die Entwurfsformulierung des § 45a geeignet, auch Einrichtungen der Jugendarbeit zu erfassen, die nicht durch die in § 45 (1) Nummer 1 benannten Ausnahmen erfasst sind. Dazu gehören z.B. (verbandliche) Zeltplätze und Übernachtungseinrichtungen, die keine Jugendherbergen sind.

Als Lösung empfehlen wir daher eine Anpassung der Ausnahmeregelung in § 45 (1) Nummer 1. Da gerade die Jugendarbeit einem ständigen Wandel unterliegt und auch die Bezeichnung der Einrichtungen je nach Region und Träger variiert, schlagen wir eine Anpassung an bzw. einen Verweis auf die Leistungsformen des § 11 vor. Damit würden auch innovative Einrichtungsformen der Jugendarbeit erfasst.

§ 48b i.V.m. §§ 47, 104

Dieser Paragraf würde, sollte er in der vorliegenden Fassung Gesetzeskraft erlangen, aus Sicht des Landesbeirats für Jugendarbeit weitreichende negative Folgen für freie und öffentliche Träger der Jugendarbeit haben und würde enorme bürokratische Belastungen und Unklarheiten mit sich bringen:

So sollen zukünftig alle Einrichtungen der offenen Kinder- und Jugendarbeit der Meldepflicht unterliegen, wie sie bisher beispielsweise nur für Kitas und stationäre Einrichtungen gilt.

•    Was eine Einrichtung der offenen Jugendarbeit ist, wird vom Gesetzgeber nicht definiert. Dies kann ein kleiner Jugendtreff ebenso sein wie bspw. ein Raum einer Kirchengemeinde, der einmal pro Woche als offener Treffpunkt für junge Menschen dient, oder ein Raum, der von einem Ortsrat Jugendlichen im Dorfgemeinschaftshaus als Treffpunkt zur Verfügung gestellt wird. 

•    Auch die Abgrenzung zwischen gruppenbezogenen Angeboten und offener Arbeit ist nicht einfach: Wenn sich eine Jugendinitiative formiert, sich erst einmal in irgendwelchen Räumen trifft und alle dazu einlädt, es aber noch keine richtige Gruppe gibt und zu Beginn die gemeinsame Freizeit und das Treffen im Mittelpunkt stehen – ist dies dann auch eine offene Einrichtung?

•    Wer unterstützt die Jugendlichen solcher Treffs bei der Entwicklung eines Konzepts zur Sicherung des Kindeswohls und zum Schutz vor Gewalt in der Einrichtung?

Für viele „Einrichtungen“ können ein solcher bürokratischer Aufwand und die damit verbundene Haftungsfrage der ehrenamtlichen Jugendleiter-innen auch das „Aus“ bedeuten, weil sich niemand mehr findet, die/der unter diesen Voraussetzungen bereit ist, Verantwortung in einem solchen Treffpunkt zu übernehmen. Die Problematik wird dadurch verschärft, dass die Regelung vorsieht, dass nicht erlaubnispflichtige Einrichtungen der Meldepflicht des § 47 unterworfen werden. Da die Nichteinhaltung der Meldepflicht nach § 104 bußgeldbewehrt ist, entsteht dadurch das Risiko, dass vielen Ehrenamtlichen in der Jugendarbeit in Unkenntnis der Regelung Bußgelder drohen.

Darüber hinaus verursachen diese Meldepflichten auch bei den Jugendämtern einen hohen Verwaltungsaufwand, der Personal bindet. Dieses Personal steht für andere Aufgaben, etwa die Beratung und Unterstützung der Träger bei der Implementierung von Kinderschutzkonzepten oder auch die Kontrolle, nicht zur Verfügung.

Neben dem enormen bürokratischen Aufwand bringt die Gesetzesänderung aber auch keinen zusätzlichen Schutz für Kinder und Jugendliche – der Aufwand ist also völlig umsonst.

Der Landesbeirat für Jugendarbeit empfiehlt daher, sich dafür einzusetzen, diesen
§ 48b aus dem Entwurf zu streichen.

§ 72a – Tätigkeitsausschluss einschlägig vorbestrafter Personen

Die Neuregelung des Abs. 5 begrüßen wir; die Ergänzung um § 201a (3) StGB ist eine konsequente Fortschreibung.

Der größte Teil der seitens der Jugendarbeit mit Blick auf diesen Paragrafen immer wieder dargestellten Anliegen bleibt jedoch bestehen: Die unbestimmten Rechtsbegriffe versetzen die Einsichtnehmenden (oft Ehrenamtliche und fast immer juristische Laien) in eine Verpflichtung zur Prüfung, ob eine Einsichtnahme im Einzelfall erforderlich ist. Sie sollen also ein Risiko abschätzen, das weder vom Gesetzgeber noch von den zuständigen Behörden klar beschrieben und eingegrenzt ist noch von diesen eingegrenzt werden soll.

Die Ausführungen des BMFSFJ zum Ergebnis der Prüfung der Ersetzung des Instrumentes erweitertes Führungszeugnis durch einen Negativattest überzeugen nicht. Rechtsstaatlichkeits- und Verhältnismäßigkeitsgebot erfordern hier die Auswahl des milderen und im Hinblick auf den Schutzzweck der Norm (Schutz von Minderjährigen vor Gewalt und insbesondere sexualisierter Gewalt durch Tätigkeitsausschluss einschlägig vorbestrafter Personen) gleich geeigneten Mittels.

Wir empfehlen daher folgende Maßnahmen:

•    Ersetzung des Begriffs des erweiterten Führungszeugnisses durch den Begriff Negativattest und Verankerung des Negativattests im BZRG

•    Konkretisierung der unbestimmten Rechtsbegriffe und damit Klärung des Anwendungsbereichs

§ 79a – Qualitätsstandards

Die Erweiterung des § 72a um den Inklusionsaspekt begrüßen wir.

§ 83 – Bundesjugendkuratorium inklusive Jugendcheck

Wir begrüßen die Einführung eines Jugendchecks und die Verankerung beim Bundesjugendkuratoriums.

§ 94 (6) – Kostenheranziehung

Grundsätzlich begrüßen wir die Änderung des Selbstbehaltes.

Allerdings ist hier weiterhin sicherzustellen, dass steuerfreie Einnahmen und Aufwandsentschädigungen aufgrund ehrenamtlicher Tätigkeiten unter Verweis auf die einschlägigen Regelungen des EStG vollständig von der Anrechnung ausgenommen werden und ohne jeden Abzug bei den Jugendlichen verbleiben – als Anerkennung für deren ehrenamtliches/nebenamtliches Engagement (z.B. in der Jugendarbeit). Zudem halten wir die Freibeträge von 150 Euro für zu niedrig angesetzt und sprechen uns für eine Erhöhung auf 250 Euro aus.